4. Januar 2021 Die 20-Sekunden-Regel (Wie ich andere von meiner Geschichte überzeugen) Elevator Pitch, 20-Sekunden-Regel, Küchenzuruf – ein Mann im Fahrstuhl symbolisert den Text Elevator Pitch, Küchenzuruf, 20-Sekunden-Regel – wie überzeuge ich andere von meiner Idee, von meiner Geschichte? Zuallererst: möglichst kurz! Henri Nannen, Gründungsvater des STERN, verlangte bei jeder Geschichte einen Knalleffekt, der so gut ist, dass es den Leser dazu drängt, ihn seiner Frau zuzurufen. Kurz, präzise, so einprägsam formuliert, dass man ihn im kurzen Vorbeigehen in der Küche auch tatsächlich Rufen kann. Erst denken, dann rufen Der „Küchenzuruf“ ist noch heute eine beliebte Methode, Geschichten in einem Satz zu präsentieren. Du kannst es nicht in einem einzigen Satz formulieren? Dann ist die Geschichte noch nicht genug durchdacht, nicht genug geschärft. Der Küchenzuruf unterscheidet zwischen grobem Thema und konkretem Artikel, das ist die Idee dahinter. Auch McKinsey Deutschland verlangt von allen Texten, dass sie in nur 20 Sekunden informieren und fesseln. Elevator-Pitch heißt die Methode: Fahrstuhltest. So als ob ein Angestellter zufällig seinen obersten Chef im Fahrstuhl trifft und nur 20 Sekunden Zeit hat, um ihm von seiner großartigen Idee zu erzählen, bevor sich die Türen öffnen und der Moment vorbei ist. Nur 20 Sekunden Zeit Doch nicht nur Chefs wollen überzeugt werden. Die 20-Sekunden-Regel gilt auch für Leser. So lange braucht ein Durchschnittsleser um wieder aus einem Text auszusteigen. In dieser Zeit liest er etwa 40 bis 50 Wörter. Gerade im Onlinejournalismus, beim steten Scrollen nach Aufmerksamkeitshappen, muss sich ein Text schnell beweisen. 300 bis 400 Zeichen lang haben Schreibende Zeit, den Leser zu überzeugen. Ist der erste Satz langweilig, wird der zweite schon nicht mehr zur Kenntnis genommen. In diesen ersten Zeichen darf der Leser nicht irritiert, nicht geärgert werden. Vor allem nicht durch Satzbau oder Wortwahl. Was muss an den Anfang? In die ersten Zeilen muss das Interessanteste, Erstaunlichste, Witzigste hinein. Das Beste, was der Text hergibt. Je nach Textart: Der Knalleffekt, der Kernpunkt, die Rosinen. Bei einer Meldung: Die W-Fragen, die Hauptsache. Das ist klar. Und bei Reportagen, Editorials, freien Texten? Dort führen die ersten Zeilen zur Hauptsache hin, doch sie müssen sie nicht enthalten. Eine kühne Behauptung zum Beispiel. Ein verblüffendes Detail. Eine Szene. Oder ein Versprechen. Ganz egal, was es ist: Es muss in 20 Sekunden von sich überzeugen. Frei nach den Gedanken von Wolf Schneider, ehemaliger Leiter der Henry-Nannen-Schule. Foto: @Harsh Chauhan